Mit Gemeinwohl zur Bioökonomie
- Date: 16.12.2020
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KURZ & KNAPP
- Bürgerpartizipation nutzen für mehr Gemeinwohl in der Bioökonomie.
- Mit der Blockchain-Technologie kann es gelingen, Partizipation transparenter und sicherer machen.
- Kompromisse in den komplexen Spannungsfeldern der Bioökonomie finden.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Christof Weinhardt, Karlsruher Institut für Technologie
Die Vereinten Nationen (UN) haben 2015 die Sustainable Development Goals (SDGs) verabschiedet, zu deren Erreichung bioökonomische Konzepte wesentlich beitragen können.
Dies gelingt am besten, wenn soziale, ökologische und ökonomische Anforderungen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen – ein schwieriges Unterfangen, wie z.B. die Interessenskonflikte um den Hambacher Forst gezeigt haben. Erholungs-, Schutz- und Nutzfunktion des Waldes waren und sind Gegenstand der teilweise heftig geführten Auseinandersetzung: Während die einen an der Braunkohleverstromung interessiert und den Wald dafür zu opfern bereit sind, fällt bei anderen Biodiversität und Artenvielfalt oder auch die Naherholung stärker ins Gewicht. Solche sozialen, ökologischen und ökonomischen Ziele gelten für alle unsere Wälder, jedoch scheinen sie den beteiligten Stakeholdern (Naturschützern und Erholungssuchenden, Wald-Eigentümern, Forstwirtschaft und der holzverarbeitenden Industrie) nicht immer präsent zu sein.Bioökonomische Konzepte integrieren diese divergierenden Ziele und werden, vor allem wenn sie bewusst durch partizipative Ansätze unterstützt werden, stärker am Gemeinwohl ausgerichtet. Deshalb widersprechen Bioökonomie-bedingte Zielkonflikte in keiner Weise der Maximierung des Gemeinwohls. Trotzdem stellt aktive Partizipation bei Entscheidungsprozessen bezüglich öffentlicher Güter eine große Herausforderung dar. Dies betrifft etwa das Offenlegen von Präferenzen, die Komplexität der Entscheidungsfindung selbst sowie das strategische Verhalten der Beteiligten, wenn sie sich direkt in Entscheidungsprozesse zur Nutzung der Ressource „Natur“ einbringen können. Gerade wenn die Angabe von Präferenzen an verbindliche Zahlungen gekoppelt ist, könnten falsche Angaben die Folge sein.
KÖPFE DES WANDELS
Prof. Dr. Christof Weinhardt ist Professor am KIT und Direktor am FZI (Karlsruhe/Berlin) und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Herausforderungen der Online-Partizipation und weiteren Konzepten zur Förderung und IT-Unterstützung von Teilhabe in Gesellschaft und Unternehmen. In seiner Forschung werden Partizipations-Plattformen und -Mechanismen designt und analysiert, um basierend auf diesen Erkenntnissen mehr Demokratisierung in öffentlichen und unternehmerischen Entscheidungsprozessen zu erreichen.
Daher ist es wichtig, dass die Interessensgruppen ehrlich antworten und weder über- noch untertreiben, wenn sie ihre Nutzenpräferenzen für unterschiedliche Entscheidungsalternativen angeben. Spieltheoretische Mechanismen und digitale Technologien können dabei helfen, solchen Herausforderungen zu begegnen. Mit Methoden und Tools aus der Wirtschaftsinformatik können bioökonomische Konzepte entwickelt werden, die die Interessen aller Beteiligten effizient in Übereinstimmung bringen. Wenn partizipative Entscheidungsprozesse von einer vertrauenswürdigen Instanz in fairer Weise organisiert und koordiniert werden, erhöht dies zum einen die Bereitschaft und das Interesse von BürgerInnen und anderen Stakeholdern, sich aktiv zu beteiligen, und zum anderen die Akzeptanz und das Vertrauen in die so getroffenen Entscheidungen.
Die sogenannte Distributed Ledger Technologie (DLT, Blockchains) als offene, dezentrale und manipulationssichere Datenbanktechnologie hilft dabei, keiner einzelnen Person bzw. Instanz eine „Machtposition“ zu geben, sondern alle Beteiligten gleich zu behandeln. Daher eignet sie sich grundsätzlich in besonderer Weise für partizipative Entscheidungsfindungen. Diese Technologie hat sogar selbst viele Gemeinsamkeiten mit einem öffentlichen Gut, da sie im Idealfall niemanden ausschließt und sogenannte positive Netzwerkeffekte in Datenstrukturen umsetzt.
Partizipative Entscheidungsfindung mithilfe digitaler Technologien können also das Gemeinwohl steigern und gleichzeitig bioökonomische Konzepte unterstützen. Moderne Technologien helfen dabei, mit der wachsenden Komplexität von Entscheidungsfindungen zurecht zu kommen, und können mehr Transparenz und Vertrauen in öffentlichen Entscheidungsprozessen schaffen. Obwohl Ansätze wie diese keineswegs auf bioökonomische Entscheidungsprobleme beschränkt sind, gibt es gerade dort ein hohes Potenzial für Lösungsansätze, die die viel beschworenen Win-Win-Situationen hervorbringen können.
Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie.